Ich hoffe, Ihr hattet Gelegenheit, den letzten veröffentlichten Text zu lesen.
Nun ist die Antwort auf eine weitere Frage dran, die sich auf die Anwendung der Meditation in der Psychotherapie bezieht.
Im Laufe der letzten Jahrzehnte kam eine weitere Welle in der Psychotherapie, die unter dem Namen Mindfulness bekannt wurde. Dabei wäre es etwas genauer, diesen Ansatz als „Mindfulness Meditation“ zu bezeichnen. Warum diejenigen, die diesen Begriff in die Psychotherapie eingeführt haben, das Wort „Meditation“ dabei weggelassen haben, ist mir immer noch nicht klar; obwohl der Ursprung dieses Verfahrens offenkundig ist: es kommt aus Theravada Buddhismus und die ursprüngliche Bezeichnung ist „Vipassana Meditation“.
Die Anwendung des Begriffs „Mindfulness“ ohne Herkunftsquotierung hat bislang zu zahlreichen Unklarheiten geführt. So erklären einige ausgebildete Instruktoren der Anwendung von MBSR (Mindfulness based Stress Reduction) ihren Klienten, dass dieses Verfahren aus der ZEN-Tradition stammt, was allerdings nicht der Wahrheit entspricht. Außerdem, wenn man das Verfahren aus dem Kontext, in dem es entstanden ist, herausnimmt, kann es zu einem unerwünschten kollateralen Schaden bei denjenigen führen, die sich für die Anwendung der Technik entschieden haben, ohne dabei ausreichende Kenntnisse über deren Auswirkungen auf den Übenden zu haben.
In der Neurologie wird jede Generation Medizinstudenten seit mehr als 100 Jahren über die Gehirnplastizität unterrichtet. Dabei benutzt man oft die Analogie mit den Muskeln: Wenn einer der Körpermuskeln einem intensiven Training unterzogen wird, vergrößert er sich und wird besser durchblutet. Wenn man einen Teil des Gehirns trainiert, wird er ebenso größer und besser durchblutet. Dies ist natürlich eine gute Nachricht, allerdings mit einer oft unbeachteten „Schattenwahrheit“, nämlich, dass dieser Teil des Gehirns auf Kosten des umliegenden Gewebes wächst!
Dadurch wird deutlich, dass jede meditative Technik, so nützlich sie für den Meditierenden auch sein mag, langfristig jedoch auch einen Kollateralschaden verursacht, der sogar mit Dauer der Anwendung exponentiell wächst. Natürlich, wenn Ihr selbsternannte Meditationslehrer fragt, ob sich die Meditation, die sie vertreten, schädlich auswirken kann, wird die Antwort lauten: „Es ist mir nicht bekannt, dass irgendjemand einen schädlichen Effekt von dieser Meditation hatte“, was die Schüler in der Regel leichtgläubig akzeptieren und glauben, dass es keinerlei schädlichen Folgen gibt.
Einmal besuchte einer meiner Meditationsschüler den Europäischen Kongress für Psychotherapie und nahm an einem Workshop zum Thema „Achtsamkeit“ teil. Als er den Leiter des Workshops nach möglichen, unerwünschten Effekten fragte, lautete die Antwort: „Es gibt keine!“
Sollte jemand nach dem Lesen dieses Textes den Wunsch bekommen zu meditieren, empfehle ich, sich über Folgendes gut zu informieren:
- Verfügt euer künftiger Instruktor über ein gründliches Wissen der Funktionsweise des Nervensystems?
- Hat er sein Wissen nur aus den Büchern erworben oder war er Schüler bei einem Meister, der die Wege zu höchsten Bewusstseinszuständen kennt?
- Meditiert er regelmäßig? Kennt und praktiziert er unterschiedliche Meditationstechniken?
- Wendet er Meditationstechniken an, die den Prinzipien zur Aktivierung verschiedener Teile des Gehirns folgen?
Falls jede dieser Fragen positiv beantwortet und plausibel begründet wird, dann kann man dem Meister das Vertrauen schenken. Solltet ihr den Meister danach fragen und die Antworten vage sein oder er braucht Zeit, um die Antworten vorzubereiten, sucht lieber nach einem Weisen, der alle Wege kennt, statt dass Ihr experimentiert.
Einmal, vor vielen Jahren, habe ich mit der Berechnung der Jahre gespielt, die ein Anfänger auf dem Weg zur persönlichen Entwicklung benötigt. Er sollte seinen eigenen geistigen Gipfel, ohne die Hilfe eines wahren Meisters erreichen. Dabei entdeckte ich, dass wenn jemand ca. 800 Jahre leben würde, dann könnte er lernen, sich nach belieben in diesen glänzenden Zustand zu versetzen.
Nur die wenigsten Glücklichen haben dies in einer durchschnittlichen menschlichen Lebenszeit erreicht. Falls jemand diese Daten ermutigend findet, dann sollte er selbst sich in den unüberschaubaren Dschungel der Traditionen, des Wissens und Erfahrung begeben, und falls jemand den Gipfel des Berges schnell und sicher erklimmen möchte, dann braucht er einen Führer, der alle Wege und Irrwege kennt!
Herzlich
Euer Meister