Das Ego — Gute oder schlechte und was sagt der Sufismus?
Der Sufismus ist eine Sammelbezeichnung für unterschiedliche Gruppierungen einer bedeutenden islamischen Glaubensrichtung. Mit einem gemeinsamen Ausgangspunkt im Umgang mit dem Ego und dieser besagt, dass das immer wieder einfallsreiche, hinterlistige und betrügerische Ego die dichteste Verschleierung zwischen uns und Allah ist.
Ein Sufi Text von Kashf Almahjub aus dem elften Jahrhundert drückt es folgendermaßen aus: „der Widerstand gegen das Ego ist die Basis jeder spirituellen Praxis und Vollendung jeden spirituellen Strebens“.
Somit nimmt der Sufismus unter allen Weisheitstraditionen der Welt einen stark radikalen Standpunkt gegenüber dem Ego ein. Für die von Allah erfüllten Scheichs und Derwische des Sufismus ist das Ego stets der Staatsfeind Nummer Eins. Allerdings wird auch gelehrt, dass sich das Ego auf dem Weg der Selbstverwirklichung wandelt. Aus dem zu bedauernden Ego, das sich von allem abgrenzt, wird das inspirierte Ego, das in der Welt lebt, was in unserer Lehre mit dem kreativen Handeln ausgesagt wird. Hierbei gewinnt die innere Weisheit immer mehr Platz im Leben der Person und sie bekommt ein Gefühl von intuitivem Handeln.
Diese Weisheit kann dann auch falsch benutzt werde, um sich aufzublasen, anstatt sich zu verkleinern. Wenn das Ego von wirklicher Weisheit durchflutet ist, dann ist das eine sehr gefährliche Phase, denn dann wird es immer schwerer sich davon zu lösen und die eingefahrenen Ansichten zu verändern. Aber dadurch verfestigt sich das Ego immer mehr und das eigentliche Ziel von einer Transparenz geht unter Umständen verloren.
Geht die Person aber auf dem Weg der Erkenntnis weiter, kann man von ihr sagen, dass sie immer noch eine Persönlichkeit hat, aber in gewisser Hinsicht nicht mehr von ihrer Persönlichkeit bestimmt wird, sondern sie bestimmt ihre Persönlichkeit selbst. An diesem Punkt angekommen, erkennt man, dass die volle Schönheit hervorbricht, da die Persönlichkeit zu einem Gefäß wird, das die Göttlichkeit enthält. Hier kann ein selbstbestimmtes Leben beginnen, das in allen Religionen als Ziel angesehen wird und im Islam ist es eben die Gottverwirklichung.
Obwohl die großen Religionen und Meister aller Glaubensrichtungen gegenüber dem Ego sich sehr ab neigend verhalten, es gibt auch genügend Gründe das in dieser Abwertenten Form zu tun, wie ganz oben zu sehen, ist es nicht mehr von der Hand zu weisen, dass in der heutigen Zeit immer häufiger bestritten wird, dass so ein Kampf gegen das Ego vonnöten ist, aber darauf werde ich in einer Fortsetzung nochmals eingehen.
Auch der Sufismus wird, wenn man die Übersetzung von Ego mit Ich gleichsetzt, nicht gegen die moderne Einstellung sprechen. Denn dort wird dieses Ich als „Seele des Individuums“ bezeichnet und das schon oben erwähnte Gefäß des Göttlichen wird deutlich. Aber sobald man sagt: „Hier bin ich“, gibt es schon wieder die Dualität und der Sufismus betont aber die Einheit. Diese Ansicht über die Teilung ist eine der größten Blockaden, um die Einheit zu erreichen.
Die Wurzel des Egos ist also das Gefühl der Trennung, anstatt uns mit dem, was da ist, zu identifizieren. Dies geschieht aus dem Grund, dass wir an den von uns aufgebauten Inhalten des Selbst so stark hängen und es nicht einfach gelingt alles loszulassen.
Es gibt eine klassische Geschichte von Mohammed, wo er sehr spät am Abend in die Wüste geht. Seine Junge-Frau Aisha denkt, er geht weg, um eine andere Frau zu treffen. Als er in die Stille der Einsamkeit hinausgeht, um zu beten und zu meditieren, läuft sie ihm hinterher. Er sieht sie an und sagt: „Oh Aisha, hast du deinen kleinen Satan mitgebracht?“ Und sie sagt: „Was für einen kleinen Satan?“ Er sagt zu ihr: „Jeder Mensch hat einen Kobold, einen kleinen teuflischen Teil.“ Und sie fragt wieder, „Sogar du, oh Prophet Gottes?“ – „Ja, auch ich. Aber ich habe meinen unterworfen.“ (Deshalb heißen die Gläubigen Muslim, auf Deutsch bedeutet dies: „Jemand, der sich unterwirft.“)
Psychologen haben in der jetzigen Zeit die Weisen der Religionen abgelöst und machen ihren Anspruch gegenüber dem Ego deutlich und treten für ein gut funktionierendes Ego ein. Sie erklären das Ego für nötig und nützlich, um die Individualität zu empfinden und überhaupt mit der Welt in Kontakt zu kommen, es geht hier um das gesunde Ego und die Heilung von kranken Seiten des Egos.
Über den Sufismus und sein Verhältnis zum Ego, Anregung und Verarbeitung eines Interviews mit Scheich Ragip.
Wer am falschen Faden arbeitet, zerstört das Ganze
(Konfuzius)