Kyoto – Stadtmitte und Philosphenweg

Zuerst wollten wir unsere Kyoto-Tempel-Tour gründlich planen, aber dann erkannten wir, dass jeder Plan schon im Voraus zum Scheitern verurteilt ist.
Deshalb mussten wir uns nach den Himmelsrichtungen orientieren und haben die Entscheidung getroffen, nach dem wichtigsten Kraftplatz Kyotos (Starbucks an der Ecke), uns in die Richtung Philosophenweg fortzubewegen. Ich war der Meinung, dass wir evtl. vom Hotel bis dahin zu Fuß gehen könnten, aber laut dem Stadtplan betrug die Entfernung in Luftlinie mindestens 5 km. Da wir keinen Helikopter hatten (alle waren aus) waren wir in der Tat mindestens 7,5 km vom Hotel bis zum Start am Philosophenweg entfernt.
Lange Rede kurzer Sinn: mit dem Taxi kamen wir dort an und blieben über eine Stunde in den Startlöchern, bevor wir den Weg erkannt haben, es lag gleich zu Beginn eine Tempelanlage vor uns, die uns so verführt hat, dass wir gar nicht wahrgenommen haben, wie die Zeit vergangen ist.

Aber wir sind zu schnell zu diesem Ort gekommen, fangen wir mal am Anfang an.

Auf der Hauptstraße von Kyoto, Karasuma-dori, befindet sich der erste Tempel, Higashi-Honganji, in der Anlage war nur eine Halle zu besichtigen, der ganze Bau besteht aus Holz und beeindruckte uns durch seine Größe. Ich dachte sogar zuerst, dass der Innenraum noch größer ist als der Todeaiji-Tempel. Der Higashi besteht aus nur einem riesigen Raum, der Boden ist ganz mit Tatamimatten ausgelegt und mit riesigen Leuchten im japanischen Stil, die mit Kalligraphie beschriftet sind, in ein dämmeriges Licht getaucht. Es gab zwei Formen dieser Leuchten, eine drei- und sechseckige und die zweiten waren rechteckige Leuchten. Von der Form ausgehend, passten sie gar nicht zueinander, aber sie waren so weit voneinander entfernt, dass nur jemand wie ich, mit so einem analytischen Verstand es feststellen kann. Der Altarbereich wurde aus schwarzem Holz gefertigt und lackiert, so dass ein Spiegeleffekt entstand und die Gegenstände die auf dem Boden lagen, sich wie im tiefen Wasser spiegelten. Obwohl Mitten in der Stadt, hört man nichts von der Um- und Außenwelt. Mit ein paar Fotos unterstütze ich meine Beschreibung und Euer Vorstellungsvermögen. Nach diesem Tempel gingen wir zum zweiten, dem Nishi-Hoganji (ein Weltkulturerbe), der eine Besonderheit hat, zwei Hallen sind mit einer Brücke miteinander verbunden, so dass der Besucher schuhlos von einem in das andere Gebäude gehen kann. Die Brücke ist mit Holz überdacht, so entsteht ein Eindruck des riesigen Innenraumes und einer Freiheit in diesem Raum. Beide Räume dienen als Meditations- und Zeremoniehallen, sie sind auch mit den Tatamimatten bedeckt. Vor wenigen Jahren sind sie restauriert worden und sind in einem perfekten Zustand. Der Altarbereich ist genauso wie im ersten Tempel auf die gleiche Art gestaltet. In diesem Tempel habe ich zuerst meditiert, danach wurde ich plötzlich dabei unterbrochen, weil eine Frau mir mehrmals gesagt hat: Mista, Mista, bis ich aus der tiefen Meditation zurück kam und bemerkte, dass sie zu mir sprach, sie sagte wedding, es war eine buddhistische Hochzeitszeremonie.
Danach sind wir erst zu Starbucks gegangen und ich habe festgestellt, dass Erwin mir nicht mehr folgt, weder gestern Abend, noch heute früh hat er mit mir zusammen einen Kaffee getrunken, heute Abend, unmittelbar vor dem Schreiben dieses Blogs, auch wieder nicht – da denke ich, da stimmt etwas nicht. Aber er ist wahrscheinlich noch nicht so weit in seiner Kaffeetrinkentwicklung, vielleicht habe ich wieder zu viele Gehirnzellen gebildet, die durch den Kaffee ernährt werden müssen, oder Kaffee macht einfach schön.

Nach dem Kaffee war eine kurze Überlegung, ob wir mit der U-Bahn, mit dem Bus oder eine Kombination aus beiden, uns zum Ausgangspunkt bewegen wollten. Als wir begriffen haben, dass wir umsteigen müssten, um den Beginn der Philosophenstraße zu erreichen, wollten wir nicht mehr experimentieren, sondern stiegen in ein Taxi. Ich denke, ich habe noch nicht erwähnt, wie ein japanisches Taxi aussieht, mit weißem Stoffüberzug sind die Sitzflächen überzogen und perfekt gespannt und glatt, so dass es keine Falten gibt, dabei sind sie extrem sauber. Im Taxi riecht es entweder nach nichts oder nach der Ordnung. Die Autos bewegen sich fast lautlos, so dass wir die paar Minuten die wir im Auto verbringen zu einer Erholungspause benutzen.
Die Fahrt zu unseren Bestimmungsort dauerte deutlich länger als wir ursprünglich gedacht hatten, für die 5 – 6 km hätten wir 5 Minuten gebraucht, es hat aber über 10 Minuten gedauert, was auf eine Entfernung von über 10 km hindeutete, wir waren wieder froh, dass es Taxis gibt. In Indien hätten wir uns mit einer Riksha zufrieden gestellt, obwohl wir dort vermutlich für die Entfernung 1 h gebraucht hätten.
Der erste Tempel am Philosphenweg heißt Nanzenji-Tempel. Zwei Dinge haben uns zum Staunen gebracht, der erste war der herrliche kleine Garten mit einer offenen Tempelhalle die in eine Terrasse überging und auf der roter Teppich und Meditationskissen lagen. Die Terrasse hat uns zum Sitzen eingeladen, aber wir durften nicht dorthin, weil der Zugang verboten war, sie stand mitten im Garten, der zuerst mit einem trockenen unberührten Sand anfing und über felsenartige Platten, die als Weg dienten, ging es vorbei und dann zwischen wenigen Bambusbäumen hindurch, verlief der Weg zu einem Teich, in dem wir riesige Goldfische sahen, die aber ihre Goldfarbe verloren haben, weil sie ständig im Schatten des Bambusses sind und so albinohaft wurden wie Norweger. Einer der Fische, der noch etwas rote Farbe am Kopf hatte, folgte uns am Teichrand und jedes Mal als ich ihn fotografieren wollte, öffnete er seinen Mund und bettelte. Aber ich hatte nichts für ihn außer einen guten Wunsch und einen Abschiedsblick, er schwamm dann zurück unter die Brücke, wo Erwin ihn noch ein paar Mal fotografierte. In dem Tempel blieben wir ca. eine Stunde und bevor wir unseren Weg erreicht haben, stand vor uns ein Holztor mit einer Höhe von 24 Metern und einer Terrasse in dieser Höhe. Im Innenraum dieses Holzbaus befinden sich antike Gegenstände aus den 9ten, 10ten und 11ten JH, die für die Nationalgeschichte Japans wichtig sind. Wir zogen wieder unsere Schuhe aus und merkten uns dass wir den Mitreisenden in einem Jahr empfehlen, Schuhe ohne Schnürsenkel auf die Touren mitzunehmen. In der Hoffnung, die Philosophenstraße von oben zu sehen, kletterten wir die steile Treppe hinauf, machten eine Runde um den inneren Raum, und gingen hinunter, enttäuscht, weil wir die in unterschiedlichen Texten beschriebene Philosophenstraße noch immer nicht gesehen haben. Es bleibt noch zu erwähnen, dass ich in einem kurzen Dialog Erwin gefragt habe, wie lange unser heutiger Spaziergang dauern wird. Wenn das Touristenzentrum es mit 50 Minuten angibt, wie es zu lesen war, dann werden wir das in 35 Minuten schaffen. Bis zu diesem Augenblick waren wir schon 1h 14 Minuten unterwegs, ausgenommen die Taxifahrt und nur um den Beginn des Philosophenwegs zu finden. Dann sagte Erwin dazu, dass wir uns noch nicht einmal in den Startlöchern befinden und das es sehr relativ ist, auf wie viele Hindernisse wir noch stoßen, weil das unsere Fortbewegungsmaximalgeschwindigkeit (Bandwurmwort von Erwin) bestimmen wird.
Von einem zum nächsten Tempel und dann wieder zum nächsten und dann wieder und …, dann hörten wir auf, die Tempel zu besuchen, weil sie in einer Zahl von mindestens 10 begegnet sind. Zum Schluss wollten wir noch ein Nonnenkloster besuchen, das geschlossen war. Am Ende trafen wir auf eine Menschenmasse die sich in eine Richtung bewegte, es war das zu erwartende Kloster Ginkakuji, wo wir ein paar Restaurants sahen, dort erkannten wir auch einige ausgestellte japanische Spezialitäten und überlegten uns, ob wir zuerst etwas essen wollten und danach den Tempel besichtigen oder umgekehrt, zuerst zum Tempel und dann essen. Während dieser Überlegungen passierten wir schon Restaurants, es gab nur noch die Menschenmenge die uns Richtung Tempel mitgezogen hat. Der Tempel ist für seinen ZEN-Garten berühmt, den wir vielmals fotografiert haben. Nach der ZEN-Garten-Besichtigung machen wir uns auf die Suche nach etwas Essbarem. In der Zwischenzeit war es schon über 15 Uhr am Nachmittag und wir mussten eine ergebnisreiche Forschung abschließen, mit der Erkenntnis, dass alle Restaurants in Japan spätestens um 15 Uhr Siesta machen und bis Abends geschlossen bleiben. Wir stiegen in einen Bus ein und wollten in Richtung Zentrum fahren. Wir dachten, wir bekommen dort etwas zum Essen, aber auch falsch, so warteten wir auf unser Essen bis 17:30 Uhr. Nach dem Abendessen sagte Erwin mir, dass es sich überhaupt nicht lohnt für mich, wo so ein riesiges Buffet ausgestellt ist und ich fast nichts zu essen bekommen habe. Als ich eine Gemüsesuppe essen wollte, sagte Erwin, darin ist Schwein und tatsächlich auf der Inhaltsbezeichnung stand Pork. Dann wollte ich eine Kürbissuppe probieren und dort stand Chicken. Ich wendete mich an die Bedienung und sie sagte, hier gibt es nichts Vegetarisches, sie müssten schon á la Card bestellen. Wir aßen langsam und mischten unsere Worte mit den Speisen, indem ich Erwin gesagt habe, dass es sich am Besten in Indien für einen Vegetarier anfühlt, da es das einzige Land ist, wo es selbstverständlich ist vegetarisch zu essen. Dann stellte Erwin fest, dass Leute hier die Namen ihrer Tempel, wenn sie auf Englisch geschrieben stehen, nicht lesen können, nur wenn sie auf japanisch geschrieben stehen. Daraufhin sagte ich, in Indien können 61% aller Frauen und 40% aller Männer nicht schreiben und lesen (Erwin grinste), aber sie verstehen dafür Englisch.
Zum Dessert suchte ich mir etwas aus was ich kenne und erwartete ein Pistazieneis, dann sagte ich zu Erwin, das musst du probieren, es ist kein Pistazieneis und es schmeckt hässlich, probier es. Es schmeckt hässlich.

Zum Abschluß kam noch ein Earl Grey und dieser Blog – zum Wohlsein.

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