Meditation und der Westen

Die Meditation ist eine Übung (meistens eine geistige Übung). Das Ziel dieser Übung ist in jeder Tradition deutlich bestimmt: Erleuchtung. Wenige Menschen wissen, was Erleuchtung ist. Einige haben einen Vorgeschmack bekommen, indem sie einen kleinen Kensho erfahren haben (oder sogar mehrere). Die anderen glauben, erleuchtet zu sein, weil sie über sogenannte übernatürliche Kräfte verfügen, wieder andere glauben, erleuchtet zu sein, weil sie ganz besondere, edle Gefühle für andere Menschen haben und sich deshalb berufen fühlen, ihnen den Weg zur Erleuchtung zu zeigen.

Im Laufe der Jahrtausende hat sich eine große Menge Fakten gesammelt, die darauf hinweisen, dass diese Übung (Meditation) neben der Erleuchtung auch andere Ergebnisse bewirkt. In den 60er Jahren haben einige Wissenschaftler angefangen, sich mit Meditation zu beschäftigen. Sie wollten herausfinden, warum so viele Menschen meditieren. Was ist das Geheimnis dieser Anziehungskraft, die Meditation für so viele hat?

Wissenschaft ist, wie wir alle wissen, mehrfach begrenzt:
a) Wissenschaft akzeptiert nur das, was die wissenschaftlichen Methoden messen können
b) Wissenschaftler sind auch nur Menschen, und als Menschen leiden sie an bestimmten Schwächen (manchmal sogar mehr als die anderen)

Sie sind eitel, sie haben Ängste (vor allem ausgelacht oder aus der Lobby hinausgeworfen zu werden), sie sind fehlbar und trotzdem meistens Karriere-süchtig. Sie haften am Ansehen und an der Macht, die sie hätten, wenn sie die „obere Etage“ der Akademiker erreichen würden. Deshalb lassen wir uns nicht überraschen, wenn wir erfahren, dass die Wissenschaftler die Meditationsmeister aus dem Fernen Osten nach Westen brachten, ihnen das Blut abnahmen, den Blutdruck maßen, die Gehirnwellen aufnahmen, den elektrischen Widerstand der Haut überprüften und psychologische Tests anwandten. Da sie kaum etwas Besonderes entdeckten, begruben sie ihre Probanden lebendig in die Erde, tauchten sie ins Wasser ein, durchstachen sie mit dicken Nadeln und stellten diesmal fest, die Meister verfügen über besondere Eigenschaften. Wie z. B. dass sie ohne Luft ein paar Wochen unter der Erde überlebten, wobei ihre Körpertemperatur unter 25 °C sank.

Daraus ergab sich ein neues Marktprodukt – wissenschaftliche Meditation.

Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Befunde und machten das breite Publikum auf die Meditationsmeister aufmerksam – allerdings wurde das Publikum trotz aller Erwartungen nicht neugierig auf die veröffentlichten Ergebnisse, sondern darauf, was die Wissenschaftler verneint haben, ohne mit den Meditationsmeistern darüber zu sprechen, nämlich auf die Erleuchtung. Da die Menschen unserer Zeit vor allem Spaß haben möchten (wenn möglich nur glücklich sein, darauf basiert die ganze Konsumkultur), kam die Erleuchtung als Versprechung eines dauerhaften Glückszustandes gerade richtig als eine der besten Dienstleistungen jener, die nichts anderes als Versprechungen anboten. Die Meditationsmeister haben sich nämlich schnell aus der Affäre in ihre Klöster, Ashrams oder Tempel zurückgezogen. Das Geschäft mit der Meditation fing in den 60er Jahren zu blühen und blüht immer mehr bis zum heutigen Tage.

Lange einen schlechten Ruf bekommen hatte, erkannten die echten Meister aus dem Fernen Osten, dass die Menschheit immer noch (wie auch Jahrtausende zuvor) zu retten ist, und kamen wieder nach Westen, um die richtigen Lehrer auszubilden. Diesmal brachten sie auch ihre Tradition mit und gründeten ihre Klöster und Ashrams. Die „echten“ Wege standen dem Publikum nun zur Verfügung. Die Meditation verlor etwas von ihrem schlechten Ruf und sogar die Skeptiker wurden mutiger: Sie machten ihre ersten Experimente im Meditieren und fanden es weder schlecht noch verführend, sondern im Gegenteil interessant und nützlich.

Von den Erleuchteten habe man nicht erwartet, dass sie auch an menschlichen Schwächen, wie Gier und Verblendung leiden. Sie fingen jedoch an, die eigene Lehre als einzig richtige zu vertreten. Wenn das nicht ausreichte, werteten sie die anderen Lehren (und auch die Lehrer) ab. Es ging eigentlich weder um die Lehre noch um die Religion noch um die Tradition, sondern um den Status, um die Macht, um die Befriedigung der eigenen Gier. Die Hindus behaupteten, der Hinduismus sei allen anderen Lehren übergeordnet – sie seien nur dessen Abzweigungen.

Theravada Buddhisten sind nach eigener Auffassung sind die einzigen wahren Buddhisten, sie halten sich an Sangha (die ursprünglichen Buddha-Lehre). Mahayana-Buddhisten – so sie selbst – kennen die wahre Erleuchtung und lehren den plötzlichen Weg – so wie Buddha sich auch unter dem Bodhibaum erleuchtet hat. Vajrayana-Buddhisten behaupten, die Einzigen zu sein, die den richtigen Weg zur Befreiung vom Leid, d. h. vom Samsara-Rad kennen und weitergeben können. Ch`an bzw. Zen-Buddhisten arbeiten mit Koans – sogenannten Fragen und Antworten, deren Sinn der Schüler erkennen muss, um die Erleuchtung zu erlangen. Nur über einen Koan kann der Schüler erwachen. So wurde einmal die Frage, ob der Hund Buddha-Natur hat, mit „Nein“ beantwortet und nur wer weiß, warum diese Antwort richtig ist, wobei die Antwort „Ja“ auch richtig wäre, wie auch alle anderen Antworten, ist ein Erleuchteter. Vom Taoismus, Sufismus und anderen „Ismen“ ganz zu schweigen („der vierte Weg“ von Gurdjieff, TM von Maharishi Mahesh Yogi, Benson-Response-Meditation, der Weg der Sufis von Idries Shah und viele andere). Dann kam eines Tages noch jemand nach Westen, suchte sich einen Schüler aus, wobei er bereits einige Schüler hatte und dieser eine nur eine unbequeme Last für ihn war, und begann sich um ihn so zu kümmern, als wäre er sein einziger Schüler. Dieser aber kam im Laufe der Jahre in Kontakt mit anderen Lehren und Lehrern – mit den Lehren, die niedergeschrieben und von der Welt anerkannt waren, mit den weisen Lehrern wie Bhikku Nyanya Jivakku, der Weltruhm als Wissenschaftler erlangte. Er lernte, unter anderen, den berühmten Maharishi Mahesh Yogi kennen, erfuhr live Sri Chin Moi, Lama Ole Nydal, Nyanaponika Mahathera, Bhiku Vivekananda, U Bha Khin, U Goenka – und blieb trotzdem seinem Meister und dessen Lehre treu.
(MV)

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