Zähmen des Elefanten und des Affen

Zähmen des Elefanten und des Affen
(direkte Übersetzung einer Geschichte)

Es gibt zwei Feinde der Konzentration. Auf Tibetisch heißen sie göpa und jingwa. Göpa bedeutet: beschäftigte, wilde oder zerstreute Aufmerksamkeit. Jingwa bedeutet Schläfrigkeit, Trägheit oder Versenkung. Göpa entsteht meistens aus einem Wunsch, dem der Geist sofort folgt. Ist der Geist auf irgendetwas außer dem Konzentrationsobjekt gerichtet, bezeichnet man es als göpa. Ist der Geist schläfrig oder unachtsam, so heißt es jingwa. Möchte man sich gut konzentrieren, muss man diese Störungen überwinden. Hängt an der Wand im dunklen Zimmer ein wunderschönes Bild, braucht man eine Kerzenflamme, um es zu sehen. Ist im Zimmer Durchzug, flackert die Flamme und man kann das Bild nicht deutlich sehen. Gibt es keinen Durchzug, ist die Flamme nur sehr klein und gibt es zu wenig Licht – so kann man das Bild wieder nicht gut sehen.

Nur wenn die Flamme stark und ruhig ist, sieht man das Bild klar. Die Flamme steht für den Geist, das Bild für ein Konzentrationsobjekt, der Durchzug für göpa und die schwache Flamme für jingwa.

In früheren Stufen der Konzentrationsübung meldet sich die erste Störung (göpa) häufiger. Der Geist „springt“ sofort vom Konzentrationsobjekt auf andere Dinge. Dies lässt sich erkennen, wenn man versucht ein sich vorgestelltes Gesicht zu behalten: Es dauert nur wenige Sekunden und wird durch etwas anderes ersetzt. Es ist sehr schwierig, diese Schwierigkeiten zu überwinden, weil man im Laufe vieler Leben gewisse Gewohnheiten erworben hat und dadurch nicht daran gewöhnt ist, sich zu konzentrieren. Es ist äußerst schwierig, eine alte Gewohnheit durch etwas Neues zu ersetzen. Gute Konzentration ist eine notwendige Voraussetzung für jede höhere Motivationsart und alle mentalen Tätigkeiten.

Denpa, geistige Sammlung, und shezhin, klare Einsicht in die Bewusstseinszustände, kämpfen gegen göpa und jingwa. Der Elefant steht für den Geist des Übenden. Elefanten, einmal gezähmt, folgen immer den Befehlen ihren Herren. Das Gleiche gilt für den Geist. Ist der Elefant wild und ungezähmt, kann er sehr gefährlich und schädlich werden. Kontrolliert man den eigenen Geist nicht, kann er viel Leid verursachen. Worunter man im Augenblick wegen des eigenen und anderen Menschen Geistes leidet, ist wie ein wilder Elefant, der auch große Fußabdrücke hinterlässt, was für das geistige Gift steht. Arbeitet man schwer daran, den eigenen Geist zu verbessern, wird dieser in der Lage sein, vieles für einen zu leisten. Vom Leid bis zum Glück (Buddha) sind alle Bewusstseinszustände durch die Tätigkeiten des eigenen Geistes verursacht.

Am Anfang ist der Elefant schwarz – das ist jingwa, Versenkung des Geistes. Vor dem Elefanten befindet sich der Affe (göpa – Zerstreutheit des Geistes). Der Affe kann auch nicht für einen Augenblick ruhen, denn er springt ständig oder beschäftigt sich mit etwas Sinnlosem und ist von allem angezogen. Am Anfang führt der Affe des Elefanten; göpa führt den Geist zu unterschiedlichen Dingen. Hinter dem Elefanten befindet sich der Mensch, der versucht, den eigenen Geist zu trainieren. In einer Hand hält er ein Seil (denpa), in der anderen einen Haken (shezhin).

Zuerst führt der Affe den Elefanten, der ihm folgt, ohne auf den Menschen zu achten, der hinter ihm herläuft. Der Meditierende kann den eigenen Geist nicht kontrollieren.

Auf der zweiten Stufe hat der Mensch den Elefanten fast erreicht. Er wirft dem Elefanten das Seil um den Hals und der Elefant dreht sich um.

Auf dieser dritten Stufe kann der Geist durch denpa einigermaßen gezähmt werden. Nun hockt ein Hase auf dem Elefanten, was das feinstoffliche jingwa symbolisiert. Früher hat man das feinstoffliche jingwa als eine natürliche Eigenschaft der Konzentration betrachtet – in der Gegenwart betrachtet man es als einen schädlichen Faktor. In den früheren Übungsphasen benutzt man häufiger denpa als shezhin.

Auf der vierten Stufe ist der Elefant folgsamer und der Mensch kann das Seil etwas locker halten.

Auf der fünften Stufe benutzt der Mensch das Seil und den Haken gleichzeitig, während der Affe dem Elefanten folgt. Die Zerstreutheit des Geistes (göpa) stört den Übenden nicht mehr. Er benutzt hauptsächlich nur noch shezhin.

Auf der sechsten Stufe folgen der Elefant und der Affe gehorsam dem Menschen. Er muss sich nicht mehr umdrehen, um den eigenen Geist zu kontrollieren. Der Hase (feinstoffliches jingwa) ist verschwunden.

Auf der siebten Stufe überlässt es der Übende dem Elefanten, ihm freiwillig zu folgen. Das Seil und der Haken (denpa und shezhin) müssen nicht mehr benutzt werden.

In diesem Augenblick geht der Affe weg. Göpa und jingwa erscheinen nur gelegentlich und wenn, dann sind sie sehr schwach.

Auf der achten Stufe erscheint der Elefant ganz in Weiß und folgt dem Menschen gehorsam. Es gibt weder Trägheit noch Zerstreutheit. Man braucht nur noch ein bisschen Anstrengung, um richtig zu meditieren.

Auf der neunten Stufe sitzt der Mensch in der Meditation und während dessen liegt der Elefant ihm zu Füßen. Der Übende ist in der Lage, sich auf die meditativen Aufgaben tagelang (wochen- bzw. monatelang) und ohne Anstrengung zu konzentrieren.

Auf der zehnten Stufe sitzt der Mensch auf dem Elefanten und erreicht das richtige shezhin (ruhiger Geist).  Die elfte Stufe ist dadurch gekennzeichnet, dass der Mensch, auf dem Elefanten sitzend, das Schwert in der Hand hält. Der Übende bekommt eine ganz neue Meditation, sogenannte „höhere Meditation“ und dadurch beginnt er, die Einsichtsmeditation zu praktizieren. Die Abbildung stellt auch das Feuer auf jeder der Stufen dar – das Feuer steht für die zum Meditieren notwendige Kraft. Das Feuer erlischt allmählich, weil der Übende immer weniger Kraft für die Meditation braucht. Es erscheint wieder bei der elften Stufe, wenn der Übende mit der Einsichtsmeditation anfängt.
(MV)

Übersicht

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