Positives Denken – eine kritische Betrachtung

Unter dem Begriff „Positives Denen“ lassen sich vielen Ansätze vereinigen und verstehen.

Beispielsweise zählt u. U. auch die positive Psychotherapie dazu, aber auch die christliche Denkweise lässt sich auf das Positive Denken zurückführen.

Grundsätzlich basiert das Positive Denk auf der Behauptung, dass alles was passiert einen Sinn hat. Egal, ob die Geschehnisse für die Betroffenen gut oder schlecht ausgehen, sie sollten im Grunde immer als etwas Gutes betrachtet werden.

Wenn etwas an sich gut ist, dann muss man das nicht noch verschönern, es bleibt weiterhin gut in seinen Auswirkungen.

Wenn etwas jemandem Unannehmlichkeiten bereitet, dann empfiehlt das Positive Denken, in diesen Unannehmlichkeiten auch etwas Gutes zu sehen:

Weil er jahrzehntelang geraucht hat, bekommt jemand beispielsweise Lungenkrebs. Dann kann dieser Mensch in diesem Ereignis eine Katastrophe sehen und denken, dass es schrecklich sei, dass ihm sowas passiert ist. Dann hat er nicht nur das körperliche Leiden, sondern auch noch Angst, dass es schrecklich ist und er es auf Dauer nicht ertragen kann. Wenn er sich den Krebs schönreden würde, dass das beispielsweise eine Botschaft an ihm ist, dass er endlich mit dem Rauchen aufhören sollte, dann ist sein Gewissen beruhigt und er kann mit dem Rauchen aufhören. Dabei ist die Frage, ob diese sogenannte Gewissensmassage nützlich ist, oder ob es einen nützlicheren Denkansatz geben kann?

Was kann jemanden gegen die zukünftigen Unannehmlichkeiten stärken? Sich etwas Schlimmes schönzureden oder die Unannehmlichkeit so wahrzunehmen und über sich ergehen zu lassen, wie es ist?

Die potenziellen Vertreter des Positiven Denkens würden sich wahrscheinlich nur für ihre sinnvolle Erklärung der Unannehmlichkeit entscheiden und das letztendlich als ‚Gottes Wille‘ betrachten. Allein die Aussage: „Wer weiß, wozu das doch gut ist?“ weist schon darauf hin, dass es gut ist, weil es genau so gelaufen ist. Da man sich häufig noch viel schlimmere Dinge ausmalen kann, verharmlost man die geschehene Unannehmlichkeit an sich.

Beispielsweise: Das Gute an meinem Lungenkrebs ist, dass ich erkannt habe, dass ich aufhören sollte zu rauchen. Das ist objektiv betrachtet nur eine Zuschreibung der betroffenen Person und tatsächlich gibt es objektiv betrachtet nichts Gutes am Lungenkrebs. Die unangenehmen Folgen sind, dass jemand sich unzähligen Untersuchungen ausgesetzt sollte, dass er vorübergehend arbeitsunfähig ist, dass er operiert wird und dass seine Zukunft ungewiss ist. Auch, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er weiterhin gesund leben kann, deutlich geringer ist als ohne Lungenkrebs. Sogar ohne emotionale Folgen könnte sich seine Lage deutlich verschlechtern, außerdem sind nicht alle bereit mit dem Rauchen aufzuhören.

Was wäre dafür die Lösung vom kognitiven Standpunkt aus?

Die Lösung bestünde darin, die Unannehmlichkeit als Tatsache so zu betrachtet, es ist nichts Gutes, dass ich an Lungenkrebs erkrankt bin und die Tatsache ist, dass ich es ertragen kann, alles über mich ergehen zu lassen und versuche wieder gesund zu werden. Ob es mir gelingen wird, wieder gesund zu werden, weiß ich nicht. Aber ich werde mein Bestes tun, um meine Genesung zu fördern. Unter anderem werde ich aufhören zu rauchen und anfangen gesund zu leben und alles was in meiner Macht steht dafür zu tun, um die Genesung zu beschleunigen.

Das wäre der kognitive Ansatz; sich nicht die unangenehmen Dinge schönzureden, sondern sie als Umstände zu akzeptieren, in denen man sich befindet.

Wenn die schlechten Umstände verharmlost werden, dann ist das ein Selbstbetrug, dadurch weicht man von der Wahrheit ab. Durch das Positive Denken wird bei den emotionalen Problemen nur eine vorübergehende emotionale Erleichterung erzielt. Es ist eine verzerrte Denkweise und diese Menschen leiden unaufhörlich, sie befinden sich ständig auf der Suche nach neuen Denkansätzen des Positiven Denkens.

Positives Denken ist sogar in unserer Umgangssprache versteckt, indem man einfach sagt: „alles ist gut!“, oder „wer weiß wozu das gut ist?“. All diese und ähnliche Aussagen basieren auf dem Denken, dass das, was passiert auch gut so ist und das, obwohl ich nicht weiß warum, aber wenn es passiert ist, dann ist es gut so, dass es passiert ist. Dann muss ich mich nicht mehr damit beschäftigen.

Alleine die Frage, „wer weiß wozu das gut ist?“ ist häufig nicht eine tatsächliche Frage die man sich stellt, sondern man findet sich mit dem Geschehenen ab, anstatt zu versuchen das Geschehen zu seinem Vorteil zu beeinflussen oder direkt als Wahrheit zu erkennen und bedingungslos zu akzeptieren.

Man findet sich mit dem Geschehenen ab, anstatt es zu akzeptieren und dadurch wird die unangenehme Wirklichkeit verharmlost.

Diejenigen, die auf diese Art denken schwächen sich emotional ab. Sie verharmlosen die vorhandenen Unannehmlichkeiten – sie können nicht gestärkt werden. Wenn etwas plötzlich auf sie zukommt, dann könnten sie das nicht mehr verharmlosen, z. B. Zahnschmerzen oder eine Blinddarmentzündung oder ein Autounfall. Das kann man dann nicht mehr beeinflussen und dann sind Leute nicht mehr bereit, diese Schwierigkeit oder diese Schmerzen zu ertragen. Ich hatte schon viele Patienten, die durch Positives Denken versucht habe, die  Dinge zu verharmlosen und zu beeinflussen. Aber Positives Denken bringt einem nur dann Erleichterung, wenn man glaubt, dass es auch weggeht. Aber wenn etwas über eine längere Zeit nicht vergeht, dann verliert der Mensch die Hoffnung und beginnt sich aus dieser Unannehmlichkeit sogar eine Katastrophe auszumalen. Dadurch bildet sich eine katastrophisierende Denkweise und die Menschen machen sich emotional schwach. Man kann sich an das Leben gewöhnen, nach einer Weile, wenn man erkannt hat, dass sich Dinge nicht mehr ändern lassen, dann beginnt man darunter zu leiden. Man erwartet, dass es eigentlich wieder weggeht, weil es bisher durch Positives Denken verharmlost wurde. Aber wenn ein Schmerz nicht wieder vergeht, da er sogar objektiv weh tut, entsteht ein innerer Konflikt zwischen dem was man erwartet und zwischen dem was geschieht. Dieser innere Konflikt zermürbt den Geist und es zerfrisst die Geisteskraft, der Mensch wird dadurch emotional schwach.

Man fühlt sich durch das Positive Denken getröstet, aber man wird damit keine Lösung für die Unannehmlichkeiten finden. Deshalb ist das auf Dauer eine verheerende Denkweise, die aus den Menschen hilflose Menschen macht. Sie entwickeln dann den Glauben an irgendwelche übernatürlichen Kräfte, oder an einen religiösen Ansatz, aber sie verlassen sich nicht auf sich selbst.

Der wahre Ansatz entspricht der Suche nach der Wahrheit, nach dem Erkennen der Wahrheit, egal wie unangenehm sie ist, um sich mit der Wahrheit zu arrangieren und zu behaupten, ich kann es aushalten, ich kann mich damit zurechtfinden. Ich kann mein Bestes tun und was ich beeinflussen kann werde ich beeinflussen und was ich nicht selbst beeinflussen kann werde ich hinnehmen, wie es ist.

Das ist die Weisheit des Lebens.

Herzliche Grüße Milenko

Nicht alle Leser sind meine Schüler, deshalb ist es neutraler formuliert als bisher

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