Nikko

Um 4 Uhr wurde ich wieder wach, stand auf, packte alle Sachen für den Umzug ins andere Hotel und las das Buch „Alleiniger Samurai“. Um 8 Uhr kam Erwin zu mir und wir machten uns auf den Weg nach Nikko.
Beim Consierge in unserem Hotel haben wir die Anweisung bekommen, wie wir mit unseren Railpässen kostenlos nach Nikko kommen können. Unser Abenteuer fing um 8:30 Uhr an und wir kamen um 11:30 in Nikko an. 2 x mussten wir umsteigen und einmal hatten wir sogar eine Wartezeit von 1h 15 Minuten, die wir nutzten, um etwas zum Frühstück zu essen. Der erste Kaffee, obwohl er der erste war, hat überhaupt nicht geschmeckt. Ich musste mich mit dem zweiten trösten, der auch viel zu bitter war. Trotzdem wurde unsere Laune im Laufe der Zeit immer besser. Wir waren in den Zügen meistens mit Europäern und Amerikanern zusammen, die auch Nikko besuchen wollten. Außerdem entdeckten wir, dass jede U-Bahnstation in Tokyo ein großer Komplex mit vielen Läden und Restaurants ist. Ich glaube nicht, dass sich so etwas erleben lässt, ohne den Ort selbst zu besuchen. Keine Kamera ist in der Lage, diese Messchenmenge zu erfassen, die auf einen zukommt, wenn die Züge in der Rushhour fahren. Obwohl wir zigtausende Menschen heute früh getroffen haben, hörten wir niemals, das jemand anfängt, den Speichel zum Spucken im Mund zu sammeln. Keiner spuckte. Obwohl wir als einzige in die richtige Richtung gelaufen sind (alle anderen liefen in die falsche Richtung, nämlich uns entgegen), sind wir ohne Zusammenstöße zum Zug gekommen.
In Nikko am Hauptbahnhof an dem wir ausstiegen, haben wir uns entschieden, mit einer Privat-Bahn zurückzufahren und ihr liebe Leser seid auch in den Genuss dieses Zuges gekommen – der Blog entsteht während der Rückfahrt.
Was ist Nikko und warum besuchen wir dieses winzige Dorf in den Bergen? Es gibt zwei Gründe dafür:
1. Der Gründer des modernen Japans Tokugawa Ieyasu hat im Laufe seines Lebens für sich einen Schrein bauen lassen, wo seine Asche aufbewahrt werden sollte.
2. Der Rin-noji Tempel, der im Jahr 848 vom Priester Ennin gegründet wurde, befindet sich auch hier.

Während wir zu Fuß zur archäologischen Stätte gelaufen sind, habe ich mich mit dem größten Apfel auseinander gesetzt, den ich je in meinem Leben gesehen und gegessen habe. Der Apfel war so groß, dass ich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf mich gezogen habe, manche lächelten mich an, manche guckten nur zu und ein Mann aus Amerika erklärte mir, wie Japaner so riesige Äpfel bekommen. Sie schneiden alle kleinen Äpfel bevor sie heranwachsen können ab, so dass die restlichen Äpfel am Baum gezwungen sind, so groß zu werden, aus Angst, dass sie, sollten sie klein bleiben, auch abgeschnitten werden. So etwas existiert unter den Menschen und ist bekannt als zweckmäßiges Verhalten, dass die Äpfel sich auch so verhalten wusste ich noch nicht, aber es war interessant, so eine Erklärung zu hören. Ich würde es als „willkürliche Zweckmäßigkeit“ bezeichnen.
Wir gingen brav zuerst zu einem Eintrittsgeldschalter und die Frau die dort saß sagte uns, dass wir hier nur ein Ticket für die Besichtigung einer heiligen Brücke kaufen können, aber es für uns besser ist, ein Kombiticket für alle Stätten im Park zu kaufen, was es hier nicht gab, sondern weiter oben am Weg. Wir bedankten uns sehr dafür, weil sie unserer Meinung nach an unsere Geldbeutel gedacht hatte und uns vor unnötigen Kosten schützen wollte. Wir folgten den Pfeilen und kamen zu einem Parkplatz und kauften ein Kombinationsticket mit fünf Coupons. Als wir den ersten umsetzen wollten, in einem Gebäude mit Eintritt, sagte uns die Frau, die dort als Kontrolle saß, dass wir uns ein zusätzlich gelbes fürs Museum kaufen sollten, unseres hatte keine Gültigkeit hier. Wir gingen wieder zum Schalter zurück und kauften uns das gelbe Ticket. Die Frau lachte uns verständnisvoll an, als wollte sie uns willkommen heißen und wir fingen an, unsere Museumsrunde abzulaufen. Es dauerte insgesamt 15 Minuten, mit Toilettenpause (5 Minuten) wir haben ein paar schöne Dinge gesehen, der Rest waren irgend welche Schriften (ohne Übersetzung). Dann kam das Highlight des Tages, ein herrlicher, großer Zen-Garten mit einem Teich, in dem viele riesige Koi-Karpfen geschwommen sind. Als ich ihnen meinen Finger anbot, kam ein Fisch zu mir und lies sich von mir streicheln, dann brachte Erwin mir etwas Futter für die Fische und wir beobachteten wie sie jedes Korn von der Wasseroberfläche holten. Es war genauso harmonisch wie in anderen Zen-Gärten die wir schon vorher gesehen hatten.
Die nächste Station war der große Tempel, es handelt sich um einen aktiven Tempel, in dem Mönche einen regelmäßigen Gottesdienst abhalten. Die Runde im Tempel machte uns Freude, weil wir sehr schöne Statuen aus der Nara-Periode gesehen haben, vor allem drei hölzerne Buddhastatuen, von denen eine 8 m hoch war, hat uns gut gefallen und zwei Statuen der Klosteräbte (Ryogen und Tenkai), an der Seite, hatten eine beeindruckende Mimik im geschnitzten Holz.
Nach dem Hauptgebäude sind wir zur Schatzkammer des Tempels gegangen, in der ein Priester einen Gottesdienst für die Verstorbenen abhielt. Wir setzten uns und hörten ihm zu wie er sich mit dem Gebet an das immer größer werdende Feuer wendete. Er wiederholte einige Sätze mehrmals, in einer Geschwindigkeit, für die ihm jeder Rapper neidisch wäre. Er hatte eine sehr angenehme Stimme und begleitete sich selbst mit den Klängen von den Gegenständen die er um die Feuerstelle herum angeschlagen hat. Es war eine Mischung von Metall- und Holzklängen. Nach 5 Minuten waren wir so weit, dass wir gewusst haben, alles wird sich noch ein paar Mal wiederholen (er hatte noch sehr viele Holzandenkenstäbchen hinter sich) und wir sind zum nächsten Ziel gegangen.
Hier geht es um die drei Affen. Wahrscheinlich die drei berühmtesten Affen in der Geschichte der Menschheit. Sie befinden sich in jedem Buch über Japan und repräsentieren die alltägliche Weisheit, indem einer von ihnen die Ohren mit den Händen zu hält, der andere die Hand auf dem Mund hat und der dritte beide Hände über die Augen legt. Die Bedeutung dieser Symbolik ist: über das Böse spricht man nicht, hört man nicht und sieht man nicht. Die Geschichte ist aber viel tiefsinniger. Es geht um einen Mutteraffen, die zuerst ihren Sohn in der Ferne beobachtet, dann rät sie ihm sich mit dem bösen Dingen nicht zu beschäftigen, er verliebt sich, heiratet bekommt Kinder und seinen Kindern gibt er den gleichen Rat weiter. Nach der Affenstelle gingen wir zum Schrein in dem die Seele von Tokugawa Ieyasu ruhen soll. Angeblich wurden Anfang des 17ten JH 37 Gebäude errichtet und prachtvoll geschmückt. An der Fertigstellung der Anlage waren 15000 Handwerker aus ganz Japan beteiligt. Durch die aufwendigen Schnitzereinen und Malereinen an den Gebäuden muss man diese alle 10 Jahre auffrischen, um das auf Dauer aufrecht zu erhalten. Deshalb ist jedes Mal zwischen diesen 10 Jahren irgendwo eine Baustelle wo gerade diese Erhaltungsarbeiten durchgeführt werden. Nach dem Tokugawa Ieyasu Schrein gingen wir zurück, wo sich diese berühmte heilige Brücke befindet. Lächelnd sind wir zur gleichen Frau gegangen und haben ihr siegerisch unsere Kombitickets gezeigt. Sie zeigte deutlich auf ein gelbes Ticket, wir sagten, dass wir die Kombitickets gekauft haben, sie bedeutete uns, dass dieses Ticket hier nicht gilt und wir eben das gelbe kaufen sollten. Wir guckten uns an und wollten diese Brücke jetzt nicht mehr betreten. Wenn die Gruppe im nächsten Jahr kommt, kann sie selbst entscheiden, ob sie etwas dafür spenden möchte.

Von vorigen Berichten wisst ihr, dass jetzt der Mittagstisch dran war, auch wenn es schon Zeit für den Nachmittagskaffee gewesen ist. Auf dem Weg zum Bahnhof sahen wir einen Eingang in ein Restaurant und die Abbildungen der Speisen sahen so gut aus, dass wir uns getraut haben in diesem Restaurant zu essen. Das war einfach gut, dass wir dort gegessen haben, der ganze innere Raum des Restaurants ist voller Andenkenzettel, welche die Gäste über Jahre an die Wände mit Reisnägeln befestigt haben, wir haben das auch gemacht, nachdem wir unsere Speisen gekostet haben. (siehe Foto, vielleicht findet ihr unsere Zettel nächstes Jahr). Nach dem Essen wollte sich Erwin noch einen Gruschladen ansehen, der Eingang dieses Ladens bestand aus einem verrosteten Metallgestell, es war hässlich und unordentlich und der ganze Laden lud nicht zum Besuch ein. Wir gingen in den Antiquitätenladen und stießen in der allerletzten Ecke des Ladens auf eine kleine Kiste mit japanischen alten Kalligraphierollen und Malereien. Wir schauten sie uns an und mussten einige von ihnen mitnehmen. Dazu kamen noch ein Arahat und ein Bettelmönch.
Bei einem Meditationsabend im Institut werden wir sie ausstellen.
Ich freue mich, dass ich diesen Ort nochmals besuchen werde.
Auf dem Weg zurück sahen wir drei Frauen, die vor uns gelaufen sind. Sie waren so anders gekleidet, verglichen zu den Frauen in Europa, dass ich sie gebeten habe, sie fotografieren zu dürfen und das könnt ihr sehen.

Das ist alles, noch kein Starbucks in Sicht und eine schöne Geschichte.

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