Tiahuanaco – Das größte Rätsel der Menschheit? ! – Teil 2

Die C14 Methode

Nur wie weit müssen wir in die Nebel der Zeit vordringen, um der Lösung dieses Rätsels näher zu kommen? Die Archäologie verlässt sich hier gern und oft auf die C14 Methode, auch als Radiokarbondatierung bekannt. Diese Art der Datierung altertümlicher Funde basiert auf der Tatsache, dass ein Organismus – sei es ein Mensch, ein Tier oder eine Pflanze – im Laufe seines Lebens ständig Kohlenstoff aufnimmt, bis er abstirbt. Das heißt, dass man den Gehalt dieses Kohlenstoffs (in der Chemie C12 genannt) messen kann. Neben dem normalen Kohlenstoff gelangt auch das Radioisotop des Kohlenstoffs C14 in den Organismus, das nach einer gewissen Zeit radioaktiv zerfällt. Da man die Halbwertzeit von C14 annähernd kennt und auch das normale Verhältnis von C12 zu C14 bekannt ist, kann man bei einem Fundstück aus der Rate des noch vorhandenen Kohlenstoffisotops auf das Alter der Probe schließen.

Diese Methode hat jedoch einige Schwachstellen. Der entscheidendste Nachteil besteht darin, dass man sie nur auf organische Stoffe anwenden kann, wie zum Beispiel Holz oder Textilfasern. Bei Steinen versagt sie. Außerdem nimmt die Messungenauigkeit mit dem Alter der zu untersuchenden Probe zu. Zudem ist die Reichweite der Messung beschränkt, sie funktioniert nur bis zu einem Alter der Probe von maximal 50.000 Jahren.

So kann man dennoch das Alter von Holzstöcken und Textilresten recht genau bestimmen. Die Messung gibt indes keine Auskunft darüber, in welchem Verhältnis die Probe zu ihrem Fundort steht oder stand. Woher wollen wir denn wissen, ob ein Textilrest, den man in Tiahuanaco findet, zu einem Gewand gehört hat, das einer der Erbauer trug? Es könnte ebenso sein, dass ein späterer Einwohner oder Besucher sich hier die Kleidung ramponiert hat! Werden Archäologen zukünftiger Jahrtausende die Überreste meines Baumwolltaschentuchs finden, welches ich vor knapp drei Jahren dort verlor, und darum messerscharf darauf schließen, dass diese gewaltige Anlage aus dem ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert stammen muss?

Ein gutes Beispiel hierfür stammt aus dem Jahre 1981, als der Direktor des Archäologischen Instituts von Bolivien, der bekannte Altertumsforscher Carlos Ponce Sangines, die Ergebnisse seiner Tiahuanaco-Forschung veröffentlichte. Er schrieb von einem organischen Überrest, an dem man eine C14 Datierung versucht hatte. Der Test ergab ein Datum von 1.580 v. Chr., was schon ganz erstaunlich war. Sangines hielt es für nötig, darauf hinzuweisen, dass dieser Fund wohl aus einer sehr frühen Periode stammen müsse, wenn nicht aus der ältesten Epoche der Fundstätte überhaupt; wobei ungeklärt bleibt, wie er darauf kommt.

Dass ein historischer Kontext dort besser hergestellt werden kann, wo man auf Gräber stößt, leuchtet ein, denn die Welt der Toten spiegelt oft die der Lebenden wider. Grabbeigaben erzählen ganze Geschichten, erlauben Rückschlüsse auf die Person des oder der Verstorbenen, auf Status und gesellschaftlichen Rang. Die Leiche selbst gibt noch Auskunft über Lebensumstände und Gesundheitszustand zu Lebzeiten.

All das fehlt in Tiahuanaco. Dennoch gibt es einen Schlüssel, der die Tür in die Vergangenheit öffnen kann und uns Antworten bietet auf die bohrende Frage nach dem Alter der Ruinen auf der Hochebene. Und diesen Schlüssel liefert uns eine Wissenschaft, die sich seit jeher mit den Gesetzen der Ewigkeit auseinandersetzt, nämlich die Astronomie.

Die Schiefe der Ekliptik
In diesem Zusammenhang kommen wir an einem Mann nicht länger vorbei. Es ist der bereits erwähnte deutsche Ingenieur Arthur Posnansky, der sein Leben der Erforschung von Tiahuanaco gewidmet hat. Er durchstöberte jeden Winkel und vermass jeden Stein, den er fand, mit akribischer Genauigkeit. Seine Karten und Vermessungen haben bis heute Gültigkeit. Als er 1910 begann, die Ruinen zu erforschen und feststellte, dass es sich bei der Kalasasaya um ein Observatorium gehandelt haben muss, hatte er die Idee, die Ausrichtung der Sternwarte bzw. deren Sichtlinien genauer zu vermessen und aufgrund seiner Erkenntnisse Rückschlüsse auf das Alter der Anlage und die Zeit ihrer Erbauung zu ziehen. Die Resultate waren erstaunlich. Die Winkel und Abstände der Sonnenwenden ergaben nach seinen Messungen eine Schiefe der Ekliptik von 23 Grad, 8 Minuten, 48 Sekunden.

Was ist unter der Schiefe der Ekliptik zu verstehen? Die Ekliptik ist die scheinbare jährliche Bahn der Sonne an der Himmelssphäre. Es handelt sich hierbei um den Großkreis am Himmel, in dem die Ebene der Erde um die Sonne die gedachte Himmelskugel schneidet. Durch den jährlichen Umlauf der Erde um die Sonne entsteht der Eindruck, als bewege sich die Sonne unter den Sternen der in der Mitte des Tierkreises liegenden Ekliptik; deshalb spricht man auch von der Ekliptik als der scheinbaren Sonnenbahn der Sphäre. Die Ekliptik schneidet im Frühlings und im Herbstpunkt den Himmelsäquator (Äquinoktien – Tagundnachtgleiche, also die beiden Tage im Jahr, an denen Tag und Nacht je zwölf Stunden betragen: 21. März und 23. September). Die Schiefe der Ekliptik bezeichnet den Winkel zwischen der Sonnenbahn und dem Himmelsäquator. Dieser nicht konstante Winkel ist letztlich für die Entstehung der Jahreszeiten auf der Erde verantwortlich und schwankt in einer Periode von etwa 40.000 Jahren zwischen 21 Grad, 55 Minuten und 28 Grad, 18 Minuten. Im Jahre 1990 betrug er 23 Grad, 26 Minuten, 26 Sekunden und nimmt momentan pro Jahr um etwa 0,5 Gradsekunden ab.

Und so staunte Arthur Posnansky nicht schlecht, als er den von ihm ermittelten Winkel mit den tatsächlichen Daten verglich. Nachdem er auch die Höhenlage der Kalasasaya in seine Berechnungen einbezogen hatte, kam er zu dem Schluss, dass die Ausrichtung im Jahre 15.000 v. Chr. erfolgt sein musste!

Diese Zahl schlug in der Fachwelt wie eine Bombe ein. Zu unglaublich war dieser Wert, widersprach er doch allem, was man damals über das alte Amerika wusste oder zu wissen glaubte. Und so setzte sich im Jahre 1926 unter anderem eine Expedition der Deutschen Astronomischen Gesellschaft nach Tiahuanaco in Marsch, um Arthur Posnanskys Messwerte zu überprüfen. Man hatte alles aufgeboten, was zu jener Zeit in der Astronomie Rang und Namen hatte. Die Teilnehmer waren Prof. Dr. Arnold Kohlschütter, Direktor des Astronomischen Observatoriums in Bonn; Prof. Dr. Hans von Ludendorff, Direktor des Astronomischen und Astrophysikalischen Observatoriums zu Potsdam und Dr. Rolf Müller vom gleichen Institut. Von November 1926 bis zum Juni 1928 nahmen sie an Ort und Stelle Beobachtungen und Messungen vor. Was fanden sie? Hatte Arthur Posnansky Recht gehabt?

In der Tat wurde der Ingenieur mehrfach bestätigt, wenn auch seine Zahlen nicht ganz stimmten, was vielleicht an der relativen Ungenauigkeit seiner Meßmethoden gelegen haben mochte. Jedenfalls stand nun fest, dass es sich bei der Kalasasaya um ein Observatorium handelte, das sowohl kalendarische als auch astronomische Bedeutung hatte. Auch den Wert der Schiefe der Ekliptik fanden die Astronomen abweichend vom damals aktuellen Wert.

Sie kamen allerdings zu einem anderen Wert das Alter der Anlage betreffend. Nach ihren Messungen und Berechnungen fand die Ausrichtung nicht im Jahre 15.000 v. Chr. statt, sondern etwa 6.000 Jahre später – 9.300 v. Chr. Auch diese Zahl war noch zu ungeheuerlich, um von der Fachwelt ernstgenommen zu werden. Und so taten sich Arthur Posnansky und Rolf Müller zusammen, um genaue Werte für das Alter von Tiahuanaco zu erhalten.

Präsentiert wurden die Früchte ihrer Arbeit auf dem 32. Internationalen Amerikanisten Kongress, zu dem man Arthur Posnansky eingeladen hatte und der nun von einer Schiefe der Ekliptik zum Zeitpunkt des Baus von Tiahuanaco von 24 Grad, 6 Minuten, 52,8 Sekunden ausging.

Das entsprach einer Zeit, die irgendwann zwischen den Jahren 10.150 und 4.050 v. Chr. liegen musste. Selbst mit dieser letzten Zeitangabe konnten sich die Amerikanisten in keiner Weise anfreunden, da sie ihrer Meinung nach viel zu weit in der Vergangenheit lag.

Steinalte Rätsel
Warum weigert sich die Schulwissenschaft, ein höheres Alter von Tiahuanaco anzunehmen? Kurioserweise kennen die lokalen Eingeborenenkulturen den Ort nur in Trümmern, und niemand nimmt für sich und sein Volk in Anspruch, diese Stätte errichtet zu haben. Die Archäologen nehmen zwar an, dass die Aymara-Indianer die Erbauer sind, was diese jedoch bestreiten. Auch die geheimnisvollen llrus, die auf Inseln im Titicacasee leben (und sich selbst hartnäckig weigern, Menschen genannt zu werden) wollen wissen, dass ihre Vorfahren einst dort lebten, den Ort nur nicht gebaut haben. Viele Widersprüche treffen hier aufeinander. Faktum ist: Die Aymara-Indianer können aufgrund ihrer beschränkten Mittel niemals die Baumeister von Tiahuanaco gewesen sein. Sowohl die unglaublichen Steinbearbeitungen in Puma Punku als auch die Komplexität und die genaue astronomische Ausrichtung der Kalasasaya passen nicht in das Schema eines primitiven Steinzeitvolkes. Faktum ist auch, dass ein Team hochkarätiger Wissenschaftler die astronomische Ausrichtung bestätigt hat und aufgrund monatelanger Messungen und Beobachtungen, unter Berücksichtigung der angenommenen Schiefe der Ekliptik, Rückschlüsse auf die Zeit der Erbauung ziehen konnte. Aufgrund dieser Fakten kann man durchaus zum Schluss kommen, dass Tiahuanaco sehr viel älter sein muss, als ursprünglich angenommen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Tiahuanaco „nur“ 2.000 Jahre alt ist, bleibt es dennoch ein unlösbares Rätsel, wie die Monolithen, die wohl als Wunderwerke einer unverstandenen Technologie bezeichnet werden können, bearbeitet wurden. Auch das Transportsystem, ein unverzichtbares Muss beim Bau einer solchen Anlage, stellt uns vor ein unlösbares Problem, wenn man sich klar macht, dass die Archäologie nicht einmal dem späteren Volk der Inkas die Benutzung des Rads zuspricht und die Steinbrüche 15 bis 70 km entfernt sind.

Egal welche Jahresangaben wir nun für richtig, möglich oder unrealistisch halten, die Mythen und Legenden der Andenregion legen den Ursprung der Völker in das Gebiet des Titicacasees, so dass Tiahuanaco in jedem Fall als Wiege der südamerikanischen Kultur angesehen werden kann. Geht man zudem von der Datierung Arthur Posnanskys aus, dann verliert sich der Ursprung von Tiahuanaco in den Nebeln, die noch immer die Morgendämmerung der Menschheit vor unseren forschenden Blicken verbergen.

 Wer immer die Erbauer von Tiahuanaco waren, sie müssen mehr als außergewöhnlich gewesen sein und über ungeahnte Fähigkeiten verfügt haben.
(MS)

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